Versteckspiel mit der Gravitation: Die Tsippinvölker (Band V)
Ihre Häuser sind wie reife Trauben, wenn das Wasser auf ihnen tanzt.

Immer häufiger drängt sich die Frage auf, wer oder was die Tsippin wirklich sind, denn in ihrer Eigenschaft als völlig offen virtuelle Lebensform waren sie niemals wirklich zukunftsweisend, geschweige denn überlebensfähig. Daher soll sie hier konkretisiert werden.

Die Tsippinvölker existieren, am Erfahrungshorizont eines menschlichen Wesens gemessen, eigentlich nur zur Hälfte.
Ihre als Flugfähigkeit erscheinende völlige horizontale und vertikale Bewegungsfreiheit ist das Ergebnis einer Existenzform, die die Zustände des Quantenvakuums im dreidimensionalen Raum nutzt oder, genauer formuliert, die dreidimensional bestimmten Zustände des Quantenvakuums vermeidet. Die Tsippin haben gelernt, eben jene Potenzialbereiche zu nutzen, die zwar vorhanden sind, im Rahmen unserer Wahrnehmung der Naturgesetze jedoch annähernd unmöglich erscheinen. Der Begriff der annähernden Umöglichkeit ist es jedoch, den sie innerhalb der einzelnen Situationen jeweils konkretisieren, indem sie die Quantenprozesse des sie bestimmenden Feldes aus ihrer Offenheit deteminieren. Schaut man sich die von Bohm bewiesene, verblüffende Tatsache an, dass es bei der Verschiebung eines Elektrons von einer Schale zur nächsten, d.h. zwischen verschiedenen Niveaus innerhalb eines Atoms, keinen Zwischenzustand gibt, d.h. es existieren zwar feststellbare Zustände, aber kein "Dazwischen" und auch kein Übergangsniveau, dann fällt es nicht weiter ins Gewicht der Welt, wenn die Tsippin gelegentlich zwischen diesen Niveaus, sozusagen in den Lücken der Wahrnehmbarkeit, Urlaub von der Realität machen.

Im Normalfall sind alle uns bekannten Lebewesen innerhalb gegebener Zustände vorhanden oder nicht. Das heißt in der Regel auch dass sie, selbst wenn es sich hier um mikroskopische Dimensionen handeln sollte, eindeutig über die Wahrnehmung auszumachen sind. Zumindest stellt diese Voraussetzung im Rahmen des bislang festzustellenden, menschlichen Wirklichkeitsbegriffs die Grundlage für die Erkenntnis von Prozessen dar.
Die Tsippin genügen unserer Definition von Wirklichkeit jedoch nur partiell. Ihre Bewegungsfreiheit basiert auf der Fähigkeit, die genannten Quantenzustände innerhalb einer annähernden Gleichzeitigkeit zu nutzen oder aber zu vermeiden. So
vermögen sie es, Quantenzustände existenziell zu vermeiden, in denen der Zustand der schwächsten physikalischen Kraft, namentlich der Gravitation, als höchst wahrscheinlich gegeben angenommen werden kann. Konkret heißt das, dass die Anziehungskraft für die Tsippin physisch nicht relevant ist, weil es sie in Zuständen, in denen gravitative Ströme existieren - simpel ausgedrückt - nicht gibt. Die Wahrnehmung eines Tsipo stellt für andere Wesen im Großen und Ganzen jedoch kein Problem dar, weil die Phasen der Nichtexistenz auf extrem kleine, wenngleich relativ rhythmische, Zeitabschnitte begrenzt sind.
Diese Fluktuation von Ja-Nein, also von Gegebenheit und Nichtgegebenheit, wird von den Ayganyay üblicherweise als Flimmern der Existenz (dingoho-tiki) (wörtlich: seiendes Flimmern) bezeichnet.
In der Tat besteht, theoretisch betrachtet, die Möglichkeit eines wahrnehmbaren, partiellen Verschwindens eines Tsippinindividuums.
In der Praxis jedoch ist die Wahrscheinlichkeit einer spürbar langen Reihung von Quantenzuständen an nahe beieinander liegenden Punkten der Raumzeit, die zu einer signifikanten Störung des körperlichen Zusammenhalts (und damit auch der Existenz) führen würden, denkbar gering
(1) .
Gestaltendes Leben in der Dynamik des Pajiro (Band V)
Die Bauten der Tsippin gelten weltweit als Kunstwerke, deren individueller Charakter in der Mitarbeit der vielen Bewohner begründet liegt. So ist die Kombination der gemeinsam zusammengetragenen Baumaterialien, die die ursprünglich gewachsene Naturform des Baues ausgestaltet, ebenso einmalig wie der Bau an sich, der sukzessive vor sich geht und der, abgesehen von auftretenden statischen Problemen (die gelöst werden müssen, damit der Bau nicht nur von den gravitationsresistenten Tsippin selbst genutzt werden kann), kein festes Ende hat.

Die Tsippinbauten bestehen aus einem gezielt wachsendem, organischem Material, das Wurzen bildet und gleichzeitig gestaltbar ist. Das Pajiro, ein exotisches Holz-Stein-Gemisch, bildet Wurzeln aus, sobald es den Erdboden erreicht, d.h. es kann sowohl von oben nach unten wachsen, als auch den für irdische Verhältnisse natürlicheren Weg von unten nach oben nehmen. Die Pajirostämme sind extrem flexibel, haltbar und von innen hohl, sofern die Gewächse dem Grundriss nach entsprechen gesetzt werden. Ihr Querschnitt kann zwischen umgerechnet 10 und 50 Metern messen. Ausbuchtungen und Wölbungen dienen daher als Wohnhöhlen, deren Innerem häufig eine kunstvolle Gestaltung zuteil wird. An den oberen Enden der Bauten sind die länglichen Pajiro-Knospen erkennbar, deren Blütezeit den gesamten Bau in ein wahres Farbenmeer verwandelt.

Anmerkungen

(1) Hierzu müssten nämlich nicht nur einzelne Zustände Nicht-Zustände des Gravitationsflusses sein, also eine extrem niedrige Wahrscheinlichkeit eines vorhandenen Gravitationsteilchenaustausches aufweisen, sondern diese Eigenschaft zudem durch die zeitliche Abfolge verschiedener Potenzial- und Situationszustände hindurch konsequent durchhalten - und das in abermillionenfacher Weise, so dass eine kausale, d.h. also folgerichtig veränderte Zeitpanne entsteht, die ausreicht, um jenes ungewöhnliche Phänomen des Nicht-Vorhandenseins überhaupt erst wahrnehmbar zu machen.

 

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